UND WIE MACHST DU DAS, VALERIE?


Name: Valerie
Alter: noch 29, bald 30 (und ich freu mich drauf!)
Mutter von: einem Mädchen (achtdreiviertel) und zwei Jungs (gerade 6 geworden und dreieinhalb)
Stadt: bei München
Beruf: Hausfrau (ich finde diese Bezeichnung so blöd! Ein Fulltime-Job!)

Wie ist bei dir die Kinderbetreuung organisiert? Bist du zufrieden damit?
Ich bin seit nunmehr fast neun Jahren in der glücklichen (und manchmal auch genervten) Lage, zu Hause sein zu können. Da ich kurz vor dem Abitur schwanger wurde und wir Kinder in kurzem Abstand wollten, stellte sich für uns nie die Frage, ob ich zwischendurch arbeiten oder studieren gehen würde. Natürlich gingen bzw. gehen alle drei Kinder in den allerbesten Kindergarten der Welt (den schon mein Mann vor 30 Jahren besuchte - bis Ende August sogar mit der gleichen Leiterin wie damals!) und unsere Tochter geht seit Beginn ihrer Schulzeit zwei bis drei Mal pro Woche zu den Großeltern, die im gleichen Ort wohnen, zehn Minuten Fußweg von uns entfernt.  Theoretisch ist der Kindergarten von 7:30 bis 16:45 Uhr geöffnet und unsere Jungs sind auch für die komplette Zeit gebucht, praktisch nehme ich das aber meist nur für den Größeren in Anspruch, Jakob hole ich vier von fünf Tagen um 14 Uhr ab.

Unter welchen Bedingungen arbeitest du? Wie funktioniert das für dich?
Momentan arbeite ich gar nicht, bzw. manage den Haushalt und die Kinder alleine, da mein Mann schon seit längerem unter der Woche in anderen Städten Deutschlands arbeitet. Abgesehen davon orientiere ich mich momentan und überlege, ob und wie ich Ausbildung oder Studium mit Kindern unter einen Hut bekommen könnte und was ich überhaupt machen soll (zur Wahl stehen: Diplom-Europa-Sekretärin, Floristin oder Visual Merchandiser. Konditorin oder Hotelfach werden Träume bleiben, weil es zeitlich einfach nicht geht). Ab Januar möchte ich gerne Teilzeit arbeiten und weiß, dass ich dann auf meine Schwiegereltern zählen kann, was Kinderbetreuung oder Abhol- und Fahrdienste betrifft.

Wie sieht ein ganz normaler Wochentag bei dir aus?
Mein Wecker läutet um sechs Uhr und in der Regel stehe ich dann gleich auf - andernfalls komme ich in Zeitnot und Stress. Als Erstes mache ich die drei Pausenboxen fertig, richte das Frühstück her und mache meinen ersten Kaffee. Zumindest der Jüngste ist dann immer schon wach (wenn er nicht schon vor dem Weckerläuten zu mir ins Bett gekrochen ist...) und so gilt es, die beiden mosernden älteren Geschwister aufzuwecken. Das macht leider selten Spaß. Anziehen (oder besser gesagt: mehrfach dazu auffordern), ermahnen und erinnern, bis dann alle am Frühstückstisch sitzen, ist es 7:15 Uhr. Da die Große spätestens um 7:40 Uhr das Haus verlassen muss, heißt es, schnell zu frühstücken, sie putzt ihre Zähne und ich mache ihre Haare. Danach den Jüngsten anziehen, mich duschen, anziehen und schminken, die Jungs unter Protest vom Lego wegholen, Zähne putzen, schnell, schnell aus dem Haus und mit Ach und Krach um 8:30 Uhr im Kindergarten einlaufen (dieses Zeitloch, in das wir jeden Morgen fallen, das suche ich echt sehr!). Zurück im Auto erstmal durchschnaufen. Montags besuche ich bis Dezember einen Nähkurs in einer der nahegelegenen Kreisstädte und nähe für zwei Stunden. Die restlichen Vormittage habe ich zur freien Verfügung und fülle sie mit Treffen mit Freunden, Haushalt und Sport im Fitnessstudio. Mittagessen muss ich glücklicherweise nie kochen, nachmittags puzzle ich rum, surfe oder lese, während der Jüngste spielt oder schläft - je nach Tagesverfassung, dann bereite ich das Abendessen vor (an guten Tagen) bis wir ab 16:30 Uhr alle einsammeln. Dazu kommen Mittwoch, Donnerstag und Freitag die Freizeitaktivitäten der beiden Großen am Nachmittag: Reiten, Klavier und Hip-Hop für die Dame, Fußball und bald auch Gitarre für den Herren. Natürlich will man das eine oder andere Mal auch einen Freund oder eine Freundin treffen, das schieben wir auch noch rein. Und meine Verpflichtungen im Elternbeirat des Kindergartens und die damit verbundenen Aktivitäten. Wir essen gegen 18 oder 18.30 Uhr, und die Jungs gehen zwischen 19 und 19.30 Uhr ins Bett, nach Zähne putzen, vorlesen und singen, Leonie dann so gegen 20 Uhr. Ich gehe abends sehr selten weg, eigentlich nur, wenn mein Mann mal zu Hause ist. Die An- und Heimfahrt nach München dauert mir mit 80-120 Minuten einfach zu lange und der Babysitter ist mir dann zu teuer.

Wieviel Zeit hast du für dich - jenseits deiner beruflichen und familiären Aufgaben? Reicht sie dir?
Ich war im Sommer sehr am Limit und froh, als wir in den Urlaub fuhren. Das ständige Hin und Her, die Verpflichtungen, das hat mich extrem mitgenommen. Seit mein Jüngster auch vormittags in die Kindergarten geht, geht´s mir richtig gut. Und ich hab es mir echt gegönnt, nichts zu tun und ganze Vormittage komplett zu versandeln. Ich genieße es, mit einem lieben Freund äußerst entspannt zwei Stunden zu Mittag zu essen, zu quatschen und zu lachen, ohne von einem Kind gestört zu werden. Entspannt ins Sportstudio zu gehen. In ein Café zu gehen und die Leute um mich herum zu beobachten oder zu lesen. Alleine und in Ruhe (!!) einkaufen zu gehen, egal, ob Essen oder Kleidung oder Geschenke oder Ikea. Einen VHS-Kurs zu besuchen. Ja, ich habe mittlerweile definitiv genügend Zeit für mich und habe ein wenig Angst davor, wie das wird, wenn ich arbeiten gehe.

Hast du dir das Muttersein so vorgestellt wie es ist? Was hast du dir anders vorgestellt?
Als ich mit gerade einmal 20 schwanger wurde, war ich so unglaublich naiv. Ein Kind - hell yeah, warum nicht. Ist doch alles so easy. Die Schwangerschaft war es auch. Die Geburt nicht (diese Schmerzen und diese Warterei, das kann man sich vorher echt nicht vorstellen). Und danach die Einsamkeit, die hat mich umgehauen. Ich kannte im Ort meines Mannes niemanden, wirklich niemanden. So fuhr ich zwei Mal pro Woche mit der S-Bahn nach München, zu den Freundinnen aus dem Geburtsvorbereitungskurs und meinen Eltern, meiner Tante und meinen Großeltern. Nach einem Jahr besuchte ich dann das erste Mal das Familienzentrum hier, fühlte mich auf Anhieb wohl, aber ich war mit Abstand die Jüngste, alle anderen waren zehn, teilweise 20 Jahre älter als ich. Nein, auch da musste ich nach einem Jahr feststellen, dass ich nicht dazu gehörte. Eigentlich kam ich hier erst an, als unsere Große mit dreieinhalb Jahren in den Kindergarten kam. Natürlich sind auch heute die meisten Freundinnen älter als ich, aber so ist das halt. Da meine Mama starb, als ich 9 war und mein Papa ebenfalls vor drei Jahren, fehlt mir oft die Instanz, an die ich mich wenden kann, wenn ich etwas aus meiner Vergangenheit wissen will. Auch die Tatsache, dass meine Schwiegereltern für meine Kinder wichtiger sein würden als mein Papa und meine Stiefmutter, das hatte ich so nicht gedacht. Wie anstrengend Kinder sein können, wie sehr sich das Leben verändert, wovor man plötzlich Angst hat und dass man sich nicht vorstellen mag, dass die Kinder schneller groß werden, als einem lieb ist, das ist wirklich anders, als ich dachte. Die innige Beziehung zu meiner Großen, die ich mir in der Schwangerschaft vorgestellt hatte, die gibt es leider auch nicht. Ich liebe sie natürlich, aber wir sind uns so ähnlich, dass wir oft "aneinander rutschen". Dass ich dagegen meine Jungs so easy finden würde, hätte ich mir auch nie träumen lassen. Ergo - Muttersein ist anders, als ich dachte, deswegen aber nicht schlechter. Manches kann man einfach erst verstehen, wenn man es erlebt.

Was empfindest du als besonders anstrengend?
Die Fremdbestimmtheit. Wann es Essen gibt, welchen Urlaub wir machen, welches Auto wir kaufen, wo und wie wir umziehen, wann ich aufstehe, das alles wird von drei kleinen Mini-Banditen bestimmt. Oder auch der von uns liebevoll genannte "Beschäftigungsanspruch" unserer Bande. Denn so oft, wie in unserem Sommerurlaub, hat unsere Große schon lange nicht mehr "Mir ist langweilig!" gesagt. Was dann bei ihr (und uns) zu schlechter Laune und Piesackerei der Brüder führt. Und noch etwas: wie unglaublich oft Kinder krank werden. Und was sie alles anschleppen. Wir hatten hier schon x-Mal Scharlach, Läuse, Magen-Darm-Orgien (inklusive Würmer!) und natürlich Husten und Schnupfen vom Feinsten. Im Kindergarten schnappen sie wirklich ALLES auf.

Was macht dich besonders glücklich?
Ganz banal und kitschig: dass meine drei Kinder mich immer lieben, egal wie ich gelaunt bin. Dass von den beiden Großen ein Lob kommt, wenn das Essen oder die Brotzeit besonders gut geschmeckt haben. Wie oft ich von außen höre, was für wohlgeratene Kinder wir haben. Die höflich sind, gerne und gut und nahezu alles essen und neugierig genug sind, Unbekanntes zu probieren, sich in fremden Haushalten erstklassig zu benehmen wissen und, mit Beschäftigungsmaterial, auch ohne Weiteres in ein Restaurant mitgenommen werden können. Offensichtlich machen wir unsere Sache nicht so schlecht...

Welches Verhältnis hast du zum Vater deiner Kinder? Wie haben die Kinder dieses Verhältnis verändert?
Ich glaube, wir führen das, was man "eine gute Ehe" nennt - und das meine ich ganz positiv. Eigentlich sind wir nämlich zwei grundverschiedene Typen, aber wir akzeptieren den Anderen so, wie er ist, und versuchen weder, ihn umzuerziehen noch ständig zu kritisieren. Genauso wie wir Freiraum geben, ohne eifersüchtig zu sein (weil es dazu auch keinen Grund gibt). Dass es für ihn außer Frage stand, dass ich Vollzeit bei den Kindern bleibe, finde ich toll und er setzt mich auch jetzt nicht unter Druck, doch endlich arbeiten zu gehen, sondern legt es mir nur ans Herz, weil er weiß, dass es mir gut tut. Natürlich ist man im elften Beziehungsjahr nicht ganz so crazy verliebt wie am Anfang, aber die Liebe, die wir heute haben, ist so tief und so ehrlich, dass es mich manchmal schier umhaut. Selbst als ich vor zwei Jahren mal sehr zweifelte (das darf man, wenn man sich mit 19 verliebt, mit 20 geheiratet und mit fast 21 Mutter wird. Um nicht zu sagen: ich hatte befürchtet, dass es irgendwann passieren würde) und sich zudem gleichzeitig ein anderer, sehr viel älterer Mann in mich verknallte (und ich mich in ihn - trotz 17 Jahre Altersunterschied) war klar, dass ich mich nie trennen würde. Natürlich ist unsere Beziehung anders und gerade durch die knappen Altersabstände von jeweils zwei Jahren bei unseren Kindern leidet die Intimität sehr. Es gab Zeiten, da lagen wir wie Bruder und Schwester im Bett. Aber es wird, und ich weiß, keiner kennt mich so gut wie er und weiß, was mit mir los ist.

Hast du das Gefühl, dass die Gesellschaft, die Politik, Menschen mit Kindern ausreichend unterstützt? Was müsste deiner Meinung nach besser werden?
Nein, das passiert nicht. So lange man als verhältnismäßig junge Mutter immer noch komisch angeschaut wird, so lange man hören muss, dass mehr als zwei Kinder "asozial" sind, so lange man ein XXL-Auto braucht (hier ein VW-Bus), weil man andernfalls keine drei Kindersitze unter bekommt, so lange Vermieter "Aber ein Viertes soll nicht kommen, oder?" fragen oder noch besser "Ein solventes Ehepaar mittleren Alters, keine Haustiere" suchen, so lange wir zwei Hotelzimmer brauchen und für drei Kinder 80% des Flugpreises zahlen, so lange Frau Schröder mit kurios-blöden Ideen kommt, krankt es in unserer Gesellschaft. Außerdem sind Kinder mittlerweile ein Statussymbol, müssen x Kurse belegen und jede Mutter versucht, die andere zu übertrumpfen, ich finde das so schade. In meinen Augen müsste es wieder normaler und natürlicher werden, Kinder zu haben. Irgendwo las ich vor ein paar Wochen, dass sich Eltern mit der Über-Fokussierung auf Kinder keinen Gefallen tun, egal, ob es um Kurse, Erziehung auf Diskussionsbasis oder Verhätschelung geht, und ich glaube sogar, das kam von Jesper Juul. (Wir machen das nicht und fahren bisher ganz gut damit). Das würde auch bedeuten, dass es gerade Familien mit mehreren Kindern von Politikern wie den Mitmenschen leichter gemacht werden sollte, Kinder zu haben bzw. zu bekommen und es z.B. auch schon bei drei Kindern Vergünstigungen geben sollte. Oder mehr Unterstützung, gerade was das Wohnen betrifft, das ist ein Trauerspiel. Außer wir ziehen so weit aufs Land, dass ich nur noch Mama-Taxi bin und meine Kinder mit spätestens 16 auf der Vespa unterwegs sein würden, sehr zu meiner Unruhe.

Was hast du durchs Muttersein über dich und die Welt gelernt, dass du vorher nicht wusstest?
Mütter sind wie Krähen! Da wird gehackt und gespitzelt, gelästert und seziert. Mütter untereinander können sooo subtil fies sein und da schließe ich mich nicht aus. Nicht, was das fies sein betrifft, das konnte ich noch nie, eher das Lästern. Trotz meiner jungen Jahre habe ich schon so Vieles erlebt, Schlimmes wie Tolles, das hat mich geprägt. Ich kann nichts mit Esoterik, Engeln oder Ähnlichem anfangen und das ist gerade bei uns im Kindergarten bei manchen sehr verbreitet. Oder anders gesagt: Ich stehe so sehr mit beiden Beinen am Boden, dass ich auf andere sehr streng oder spießig wirke. Ich weiß, dass ich viel leisten kann, ohne umzufallen (zum Beispiel den eigenen Vater sechs Wochen nach der Entbindung tot in der Wohnung zu finden, bzw. die Polizei, die die Wohnung öffnet, und dann als Alleinerbin alles zu regeln). Und dass ältere Mütter mich um Rat fragen, ehrt mich sehr. Freundschaften verändern sich sehr, wenn man Kinder bekommt und viele zerbrechen leider auch, ich habe keine echte Freundin mehr "von früher". Und leider herrscht mittlerweile wieder ein Unverständnis darüber, wie Kinder sind - bei jüngeren Mitmenschen genauso wie bei ganz alten. Schade.

Du hast 48 Stunden kinderfrei: was tust du?
Ein Wochenende mit meinem Mann in einem tollen Wellness-Hotel in Kitzbühl, in das ich schon lange möchte. Ausschlafen, Zeit füreinander haben, in Ruhe frühstücken und dabei Zeitung lesen, wellnessen (ich - der Mann würde eher schwimmen oder ins Fitness-Studio gehen), Mittagsschläfchen halten, nachmittags bummeln oder in die Berge gehen, abends schlemmen und dann eine wunderbare Nacht miteinander verbringen. Hach, da bekomm ich doch glatt Schmetterlinge im Bauch. Und das Gleiche dann am nächsten Tag noch einmal von vorne...

Was würdest du einer Frau sagen, die sich fragt, ob sie Mutter werden soll?
Nicht nachdenken, ob oder ob nicht. Einfach machen, denn sonst überwiegen immer die Zweifel. Einfach machen, denn Muttersein ist, mit all seinen Auf wie Abs, mit all den Freuden, Anstrengungen und Zweifeln, mit der Verantwortung und den Hürden, wirklich das Beste, dass man erreichen kann. Es ist Bleibender als jedes Diplom, jede Auszeichnung und jeder Titel und wirklich mit nichts vergleichbar. Es ist immer anders, als man es sich vorstellt, und manchmal sind da nach der Geburt graue Schleierwolken anstelle der rosa Wattewölkchen. Aber auch die gehen vorbei. Und es ist keine Schande, Hilfe anzunehmen, wenn man sie braucht. Mutter zu sein heißt nicht, alles alleine stemmen zu müssen, denn Mütter sind nicht das Universum des Kindes, und wenn man merkt, dass es zu viel wird, muss und darf man um Unterstützung bitten. Denn die kommt dann auch! Es heißt schließlich nicht umsonst: Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen.

Vielen herzlichen Dank, liebe Valerie. Alle anderen Mütterfragebögen sind hier zu finden.
Ich wünsche euch ein schönes Wochenende!
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