DAS DICKE, ROTE KOCHBUCH (UND DER KÄSEKUCHEN MEINER KINDHEIT)


Zu den Dingen, die ich von meiner Großmutter geerbt habe, gehören mein zweiter Vorname Hildegard (den ich lange schrecklich fand und heute schön), eine Sturköpfigkeit, die weniger sturköpfige Menschen mitunter in den Wahnsinn treibt und ein dickes, rotes Kochbuch. Das dicke, rote Kochbuch, das ich von meiner Mutter geschenkt bekommen habe, bekam sie 1972 zur Familiengründung von meiner Großmutter geschenkt. In meiner unvernünftig großen Kochbuchsammlung ist es mir das liebste.  

Das fängt schon mit seiner Entstehungsgeschichte an. 1891 gründeten die beiden Schwestern Margarete und Elisabeth Doennig „unter ungünstigen Bedingungen” die Ostpreußische Haushaltungsschule in Königsberg. „Man war damals der Meinung, daß in hiesiger Stadt bzw. Provinz eine derartige Einrichtung überflüssig (...) wäre”, schreiben sie 1902 im Vorwort zur zweiten Auflage. Doch die erste Auflage von 1.000 Exemplaren war in kürzester Zeit vergriffen. Mein Exemplar von „Doennigs Kochbuch” ist bereits die 37. Auflage. Aktuell kann man die 42. Auflage des Buches kaufen, und dass die Rezepte der beiden noch 124 Jahre nach Gründung ihrer Kochschule herausgegeben werden, wundert mich gar nicht. „Doennigs Kochbuch” ist ein praktisches, gründliches und beeindruckend umfassendes Kochbuch. Neben ausführlichen Kapiteln über Eintöpfe, Suppen, Soßen, Fleisch- und Fischgerichte oder über Kartoffeln finden sich darin alleine 44 Seiten über das Haltbarmachen von Lebensmitteln, ausführliche Anleitungen, wie man ein Tier als Ganzes verwendet (mit Rezepten für Zungenragout oder Leberwurst) und ein Kapitel zur „Resteverwendung”. Von manchen Rezepten gibt es auch eine günstigere Variante, die mit weniger teuren Zutaten auskommt. 638 Seiten präzises, aber nie ausschweifend beschriebenes Kochwissen (manche Rezepte sind nur einen einzigen Satz lang, wie das Rezept für Apfel-Kompott: „Aus den gewaschenen, geschälten Äpfeln wird das Kernhaus entfernt, die Äpfel werden in kleine Stückchen geschnitten, mit Wasser, Zitronenschale und Zucker langsam weich gekocht und abgeschmeckt.”)




Ich finde die Vorstellung schön, dass drei Frauen aus drei Generationen mit und aus diesem Buch gekocht haben – und falls Fanny später einmal Freude an solchen Dingen haben sollte, wird eine vierte Generation in „Doennigs Kochbuch” nachlesen können, wie man Marzipan anfertigt oder Kohlrouladen kocht. Und ich mag, dass sich in diesem Kochbuch Rezepte für Gerichte finden, von denen ich noch nie gehört habe – Hoppel-Poppel zum Beispiel (mit einer Prise Salz und einem Esslöffel Zucker schaumig gerührtes Eigelb, zu dem man Zitronensaft, Kaffee-Extrakt, Rum oder Bier gibt). Oder ein Rezept für Kirschsuppe. Oder für Trüffel aus Haferflocken. Und natürlich all jene Rezepte, die zu meiner ostpreußischen Großmutter gehörten wie ihre Perlenkette: Mockturtlesuppe, Königsberger Klopse, Mohnstriezel oder der mir so unvergessene Käsekuchen, dessen Rezept meine Mutter in energischer Schrift auf der linken Innenseite des Buches notiert hat, weil sie ihn noch ein bisschen lieber mochte als die „Quarg- (Glumse-) Torte” der Doennigs, die man auch in diesem Buch findet. Ich kann sie verstehen. Dieser Kuchen ist etwas Besonders. Er hat keine Angst vor zu viel Butter, zu viel Zucker, zu viel Boden oder überhaupt vor zu viel Zuviel. Ein Bissen, und ich bin wieder Kind. Ein sehr glückliches.




HILDEGARDS KÄSEKUCHEN

Zutaten für den Mürbeteig
200g Mehl
1 TL Backpulver
90g Zucker
1 Ei
125g kalte Butter

Zutaten für den Belag
1kg Speise-Quark
375g Zucker
7 ganze Eier 
Saft einer Zitrone
1 Paket Puddingpulver

Die kalte Butter mit einem Messer in Stücke schneiden und mit den restlichen Zutaten zu einem Mürbeteig kneten.
Den Mürbeteig für 15 Minuten in den Kühlschrank legen.
Eine Springform (Durchmesser: 26 cm) buttern. 
Den Ofen auf 210°C Ober/ Unterhitze vorheizen.
Den Teig in die gebutterte Springform drücken und für 15-20 Minuten goldbraun backen.
Für den Belag alle Zutaten gut miteinander verrühren (ich habe dafür einen Handrührer genommen).
Auf den vorgebackenen Boden geben und für 60-70 Minuten bei 170°C Ober/ Unterhitze backen bis die Stäbchenprobe sauber bleibt.
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